In meinem letzten Newsletter habe ich behauptet: Es ist kein Training, wenn du jeden Tag Dressur reitest. Es ist kein Training, wenn du jeden Tag spazieren gehst. Es ist kein Training, wenn du jeden Tag abwechselnd Dressur, Springen und Stangenarbeit machst. Und noch einiges mehr. Nun fragst du dich wahrscheinlich, wie so viele meiner Newsletter Leser, warum zur Hölle das kein Training ist? Und was ist denn dann Training? Genau darum soll es heute gehen.

Was ist Training?

Wenn du die Prüfung zum Reitabzeichen 2 ablegen möchtest, musst du im Theorieteil Fragen zur Trainingslehre beantworten. Reiterlich befindest du dich hier bereits auf L/M Niveau. Das Wissen rund um die Trainingslehre sollte aber schon viel früher ein Thema für dich sein. Denn du solltest wissen, wie du dein Pferd sinnvoll und abwechslungsreich trainieren kannst und zwar nicht erst, wenn du auf einem gewissen reiterlichen Niveau bist. Gerade als Freizeitreiter ohne jegliche Turnierambitionen ist es deine Aufgabe immer wieder den Leistungsstand und somit den Gesundheitszustand deines Pferdes zu überprüfen. Denn, so gehe ich mal davon aus, möchtest du lange und gesunderhaltend reiten und Spaß mit deinem Pferd haben.

Lange Rede kurzer Sinn: Training geht jeden etwas an! Auch dich!

Training ist definiert als die planmäßige Durchführung eines Programms von vielfältigen Übungen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit.

Von Natur aus bewegt sich dein Pferd den ganzen Tag im Schritt, mit gesenktem Kopf auf der Suche nach Futter. Möchtest du dein Pferd nun reiten, was in der Regel der Fall ist, dann musst du dein Pferd dafür trainieren. Dieses notwendige Training betrifft durchweg alle Reiter, ganz egal ob du Turniere reitest oder nur gemütliche Ausritte machst. Dein Pferd ist nicht dafür geboren um dich auf seinem Rücken durch die Gegend zu tragen. Damit es dies kann und dabei gesund bleibt ist ein entsprechendes Training essenziell.

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Das Training mit deinem Pferd muss immer ein Ziel haben

Hand aufs Herz: Hast du schon mal ein Ziel für dich und dein Pferd definiert? Ziele sind völlig unterschiedlich. Der eine Reiter möchte sein Pferd nach einer Verletzungspause wieder antrainieren, ein anderer möchte alleine ausreiten gehen, das Schulterherein am Boden erarbeiten oder das erste L-Springen reiten.

In jedem Fall muss dein Ziel spezifisch und messbar sein. „Ich möchte mit meinem Pferd irgendwann ausreiten gehen“, ist unspezifisch formuliert. Besser ist: „Ich möchte im Herbst mit meinem Pferd den ersten Ausritt machen“. Das Ziel ist klar datiert, nämlich im Herbst, und messbar, denn entweder du machst den Ausritt oder du machst ihn nicht.

Für viele Reiter ist das Ziel das Pferd gesunderhaltend zu reiten. Dieses Ziel ist ebenfalls komplett unspezifisch definiert und nicht messbar. Wenn ein Reitschüler mit diesem Ziel in meinen Unterricht kommt, dann helfe ich ihm ein klar formuliertes und messbares Ziel zu finden. Im Falle der Gesunderhaltung kann dies beispielsweise sein, dass Pferd und Reiter sich in den nächsten Reitstunden die korrekt gerittene Volte erarbeiten um die Hinterhand und die Baummuskulatur des Pferdes zu stärken.

Einen Trainingsreiz setzen

Du kannst drei Arten von Trainingsreizen unterscheiden: den unterschwelligen Reiz, den optimalen Reiz und den starken, überschwelligen Reiz. Der unterschwellige Reiz hat keinen Trainingseffekt auf dein Pferd und bringt im Grunde genommen nichts. Der optimale Trainingsreiz löst körperliche Veränderungen aus und ist der Reiz, den du haben möchtest. Der überschwellige, zu starke Reiz hat ebenfalls körperliche Veränderungen zur Folge. Diese sind dann aber schädigend und führen zu Verletzungen.

Ich möchte dir wieder ein paar Beispiele nennen. Dein Ziel ist es an einem mehrtägigen Wanderritt teilzunehmen. Bisher gehst du mit deinem Pferd ausschließlich spazieren und machst einmal in der Woche Bodenarbeit. In diesem Fall sind das keine optimalen Trainingsreize. Dein Pferd wird so kaum die für einen Wanderritt nötige Ausdauer bekommen. Du musst gezielt an der Ausdauer arbeiten und dein Pferd systematisch aufbauen.

Ein anderes Ziel ist die Teilnahme an einer A-Dressur. Hochmotiviert und das Turnier im Blick, reitest du von Montag bis Freitag Dressur und am Wochenende gehst du ausreiten. Hier wird dein Pferd in ein sogenanntes Übertraining kommen mit unter Umständen überschwelligen Reizen, die deinem Pferd schaden.

Das sind jetzt natürlich zwei Extreme. Aber gerade deswegen ist es so wichtig, dass du dir Gedanken über das Training deines Pferdes machst. Für das Pferd, welches zum Wanderritt soll, sind 5 Minuten Trab ein anstrengendes, aber wichtiges Training. Nur so kannst du einen optimalen Trainingsreiz setzen und dafür sorgen, dass sich die Ausdauer deines Pferdes verbessert. Für die Turnierreiterin ist es besser die Trainingsreize Montag, Mittwoch und Freitag zu setzen und dem Pferd an den Tagen dazwischen eine aktive Erholung zu gönnen.

Wenn dein Pferd trainiert, muss es auch regenerieren

Ein planvolles Training hat immer eine körperliche Veränderung zur Folge. Damit diese stattfinden kann, musst du Trainingsreize setzen und gleichzeitig deinem Pferd die Chance zur Regeneration geben. Tägliche Trainingsreize werden auf Dauer schaden und ein wöchentlicher Trainingsreiz wird nicht zu den gewünschten Veränderungen führen.

Stell dir einmal vor du möchtest mit dem Laufen beginnen. Dein Ziel ist ein 5 km Lauf in 3 Monaten. Du bist total motiviert und schnürst jeden Morgen deine Laufschuhe. Am Anfang läuft es richtig gut. Deine Ausdauer verbessert sich und mit jedem Lauf wirst du ein bisschen flotter. Und dann, ein paar Wochen später, passiert gar nichts mehr. Im Gegenteil jeder Lauf wird zur Zerreißprobe. Du quälst dich die Strecke entlang und bis froh, wenn du deine Laufschuhe wieder ausziehen kannst. Ist ja logisch, denkst du dir jetzt. Jeden Tag laufen macht ja auch keinen Sinn. Der Körper benötigt Zeit um sich zu regenerieren.

Diese so wichtigen Phasen der Regeneration benötigt auch dein Pferd nach einem Training. Die Muskeln beispielsweise benötigen etwa 48 Stunden um sich zu regenerieren. Sehnen, Bänder und Gelenke benötigen wesentlich länger. Deswegen macht es auch so gar keinen Sinn aus jungen Pferden kleine Bodybuilder zu machen. Denn dann kann es passieren das der starke Muskel an der noch schwachen Sehne zieht und das Pferde kurze Zeit später mit einem Sehnenschaden da steht.

Zum Weiterlesen:

Warum Muskelaufbau wichtig und trotzdem nicht alles ist

Häufig vergessen wird in diesem Zusammenhang der Pferderücken und die Rückenmuskulatur, die durch den Sattel und dein Reitergewicht belastet wird. Diese sogenannte Kompression kannst du nicht trainieren, sondern du musst dem Gewebe immer wieder Zeit geben sich zu erholen.

Ein gutes Training besteht nicht aus täglichem Reiten

Damit der Pferderücken und die durch das Reiten komprimierten Strukturen Zeit haben sich zu regenerieren, solltest du nicht täglich reiten. Reitfreie Tage bedeuten allerdings nicht zwangsläufig Pausentage. Du kannst dein Pferd an diesen Tagen beispielsweise Longieren, Bodenarbeit machen oder Spazierengehen. An den Pausentagen kann dein Pferd natürlich auch nur auf der Koppel sein, es sollte sich aber in irgendeiner Form bewegen. Reine Stehetage in der Box darf es nicht geben. Pferde sind Lauftiere und es entspricht ihrem natürlichen Verhalten sich zu bewegen. In einer Box können sie das nicht.

Pausentage müssen auch nicht zwangsläufig reitfreie Tage sein. Ebenso kann ein reitfreien Tagen durchaus ein Trainingsreiz gesetzt werden. Das ist natürlich abhängig vom Pferd, aber ein Intervalltraining an der Longe oder Freispringen kann ein Trainingsreiz sein. Wenn du so etwas machst, dann kannst du dein Pferd am nächsten Tag natürlich reiten. Das Training sollte dann allerdings eher locker gestaltet. Was locker heißt ist natürlich wieder vom Pferd abhängig. Für die einen ist das ein Ausritt und für die anderen Dressurreiten oder Stangenarbeit.

Wenn wir jetzt nochmal meine Eingangsfrage aufgreifen, warum es kein Training ist, wenn du jeden Tag Dressur reitest oder spazieren gehst oder abwechselnd Dressur, Springen und Stangenarbeit machst. Tägliches Reiten ist – egal ob immer nur Dressur oder abwechslungsreich gestaltet – langfristig ungesund für dein Pferd. Tägliches Spazierengehen hingegen ist nicht ungesund für dein Pferd. Wenn du aber vorhast dein Pferd auch zu reiten, dann musst du das trainieren. Das kannst du theoretisch auch während eines Spaziergangs machen: flotter Schritt, bergauf, bergab, Schenkelweichen am Wegrand, Schulterherein am Wegrand, eine Volte um einen Baum… erst dann wird dein Spaziergang zum Training.

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Training im Gelände – so wird es zum Erfolg!

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