Wie ihr bereits wisst, hat Lisa mit ihrem Pino die Schabracke gewonnen und hier ist nun ihre Geschichte!
Pino habe ich im November 2004 gekauft. Ich war damals 15 Jahre alt, mit meiner RB schon bis A platziert und heiß – heiß auf’s Springen, auf die Vielseitigkeit. Pino, damals 5 Jahre alt, konnte springen wie nichts Gutes, aber dressurtechnisch war er eine absolute Katastrophe. Dazu kam noch seine Nervosität. Aber naiv wie wir beide waren, hat irgendwie immer alles geklappt.
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Die ersten Jahre haben wir uns auf Turnieren Platzierungen und auch Siegen in der Klasse A hochgearbeitet, und das sowohl in der Dressur, als auch im Springen. Doch eines durften wir leider nie. In die Vielseitigkeit. Es war ja nicht so, dass wir nicht dafür trainiert haben und ich habe neben Pino nur noch ein Pferd erlebt, dass so selbstverständlich an alle Geländehindernisse zog, aber es gab einen Haken. Meiner Mama war es zu gefährlich, dass ich damit auch auf Turnieren starte, denn im Springen war er, um ehrlich zu sein, ein bisschen zwischen Genie und Wahnsinn anzusiedeln. Er parkte nie, sprang alles, und je höher, desto besser. Aber, wenn er wollte, dann zog er auch einfach los. Da war die Bremse dann kurzzeitig defekt. Die Lenkung war immer noch extrem präzise, so dass ich über dem Sprung nur an den neuen Weg denken musste und er spürte sofort wo es lang ging. Zu Hause gab es diese Momente auch, aber das bekamen wir mit der Zeit in den Griff, aber auf Turnier gab es immer wieder diese Aussetzer und einfach hart eingreifen war dann eher gefährlich. Er war ein richtiges Hallen- und Stechpferd. Schnell, wendig, schlau. Es war nicht so, dass wir nicht auch gute Stilspringen gehen konnten, eher gegenteilig: wenn er wollte sind wir immer mit 7er Noten rausgekommen, aber wehe er war heiß. Das war der Grund warum meine Eltern sich gegen die Vielseitigkeit entschieden haben. Was wäre, wenn er auf so einer Geländestrecke plötzlich so anzieht? Wenn er unpassend an ein festes Hindernis kommt? Was, wenn er dann nicht mehr so mitdenkt? Wenn ich ihn nicht passend bremsen kann? Alles Bitten und Flehen half nicht. Die Entscheidung war gefallen.
Danach gab es viele Tiefs. 2007 hatte Pino sich eine Sehnenverletzung zugezogen und die Saison war damit gelaufen. 2008 folgte mein Umzug nach Rostock aufgrund meiner Ausbildung. 2009 sind wir ein Springen gestartet, ein Zwei-Phasen-A** und haben direkt den 2. Platz gemacht. Die Gewinnerin hat mir bei der Siegerehrung sogar erzählt, dass sie nicht gewonnen hätte, wenn sie nicht gesehen hätte, welchen Weg ich wähle. Ich war so unglaublich stolz auf mein Pony.
Doch es kam wie es kommen musste: er wurde auf der Weide getreten. Ein Loch in der Brust und wieder Pause. Als er endlich wieder fit war, hatte wir gewagt zu hoffen und es folgte der nächte Tiefschlag. Er hatte sich ein Eisen abgerissen und damit den halben Huf. Es ging nichts mehr. Ein Jahr Weidepause. Der Schmied wollte auf Barhuf umstellen, doch es ging einfach nicht. Er war immer wieder fühlig und lahm.
Mittlerweile hatten wir schon 2011. Einen Stallwechsel später und mit neuem Schmied an der Hand ging es wieder bergauf, jedoch nicht lange. Er hatte erst eine Bronchitis und im November eine Kolik – und ich war frisch im Studium. An Turniere war nicht zu denken.
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2012 war er wieder fit. Wir ritten ein Turnier und er fing wieder an zu lahmen. Es folgte eine Odyssee an Kliniken, Tierärzten, Zahnärzten, Chiropraktikern, Physio… Ich nahm ihn aus dem Sport und stellte ihn auf die Weide. Bedingt reitbar war die Diagnose der 1. Klinik. Doch instinktiv wusste ich, dass irgendetwas an der Diagnose nicht stimmte. Er wollte arbeiten. Und ich sollte Recht behalten.
Im Januar 2013 stand es auf der Kippe. Entweder wir finden den Auslöser der Lahmheit oder es ist vorbei. Ein lahmendes Pferd gehört auch nicht mehr auf die Weide. Also fuhren wir in eine andere Klinik. Wir nahmen die alten Befunde mit und ließen alles durchchecken. Und es kam alles anders als gedacht. Alle alten Befunde waren nichtig. Fehldiagnose. Kein Hufrollensydrom, keine Kissing Spines, nichts von all dem. Wir wurden an eine Physiotherapeutin verwiesen, die auf den ersten Metern im Schritt sofort sagen konnte was es war.
Ich habe bitterlich geweint vor Freude. Es war heilbar. Ich musste meinen besten Freund nicht gehen lassen. Es war klar, dass es ein langer Weg wird, aber wir sind ihn gegangen.
Wochenlanges Longieren, Anspritzen vom Tierarzt, immer wieder Physiotherapie. Das erste Mal wieder auf meinem Pino zu sitzen war für mich wie ein Neuanfang. Es war nicht so, dass ich keine Pferde zum Reiten hatte in der Zeit, aber er war etwas anderes für mich. Er ist MEIN Pferd. Wir sind oft genug aneinander geraten, aber am Ende konnte ich auch neben ihm sitzen, wenn er lag. Wir verstehen uns blind.
2014 sind wir im April den ersten Kombi-Lehrgang geritten. Und plötzlich war alles nicht mehr so weit entfernt. Er wurde dressurmäßig immer besser, sprang immer besser. Es gab nur positives Feedback und wir wurden ermuntert auch an die Vielseitigkeit zu denken.
Und nun komme ich zu meinem persönlich schönsten Turniererlebnis. Wir hatten ein Turnier als Testlauf genannt, dass er wirklich gut meisterte. Ein E-Gelände-Ritt und von meinem alten Trainer gab es ein riesiges Lob, dass er das von ihm nie erwartet hätte und wenn er das früher gewusst hätte, dass Pino im Gelände so toll läuft, dann hätte er uns damals mehr den Rücken gestärkt. In diesem Aufwind besaß ich den Mut eine gesamte VS-Kombi der Klasse E zu nennen (das einzige was ich in der Klasse E noch reiten darf, weil ich im Springen und in der Dressur schon LK5 habe).
Es war ein heißer Tag an dem das Turnier stattfand. Ich fuhr gemeinsam mit Stallkollegin Inga, ihrem Freund und meinem Freund hin, und hatte absolut keine Erwartungen. Pino hatte so lange keine Vielseitigkeitshindernisse gesehen. Wie würde er sich verhalten? Dressur war eh nie unsere Stärke, also hieß es überaus korrekt reiten. Ich half Inga beim Parcour abgehen und coachte sie beim Abreiten. Es sollte unser Tag werden. Sie gewann das erste Springen haushoch. Auch ihr zweites Springen lief gut: Zweiter Platz. Nun war ich an der Reihe. Abreiten für die Dressur. Mittags um 11:30 Uhr. Die Sonne stand unerbittlich am Himmel und es zog sich. Einige meiner Mitreiter brachten den Zeitplan durcheinander und am Ende hatten wir gute 30 min Verspätung. Die Eltern und die Großeltern meines Freundes waren zum Zuschauen gekommen und brutzelten in der Sonne. Meinen Freund schickte ich schon los alles für das Stilspringen zu holen, denn das rückte immer näher. Warten war noch nie Pinos Stärke und das zeigte sich in dieser Situation immer mehr. Er wurde hibbelig, nervös und konnte kaum still stehen. Ich entschied mich die Sporen abzunehmen. Das stellte sich im Dressurviereck aber als Fehler heraus. Sand, tiefer Sand. Die ganze Spritzigkeit war weg und ich hatte unglaublich zu treiben. Aber wir kamen durch und das durchaus zufriedenstellend. Wir waren noch Reserve in der Einzelprüfung und lagen somit in der Gesamtwertung gar nicht so schlecht. Doch ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken, denn ich musste sofort ins Springen. Umsatteln, Gamaschen dran und zwei Probesprünge. Ich war aufgeregt, kaputt und kurz vorm Kreislaufkollaps aufgrund des Wetters. Für eine Runde noch die Zähne zusammenbeißen. Einreiten, lächeln, grüßen, Überblick verschaffen und los. Und er lief genial. Es war wie früher. Er war da, aufmerksam und ich bin ein wenig in Schönheit gestorben, aber das war egal. Am Ende war es eine 7er Note. Aus dem Parcour raus, bin ich erstmal vom Pferd gekippt… Es war viel zu warm… Also absatteln, Pino abwaschen und auf den Anhänger zu Tessi, da war es noch am kühlsten.
Mein alter Trainer hat uns erst mal ein kühles Blondes ausgegeben und meine “Schwiegereltern” haben die Großeltern nach Hause gebracht, weil auch die haben das Wetter nicht so gut vertragen. Und dann hieß es warten, weil das Gelände die letzte Prüfung des Tages war. Plötzlich kamen die kleinen Schülerinnen meines Trainers mit einer Schleife angelaufen. “Du warst platziert! Du warst im Springen platziert!!!” Ich war mehr als überrascht. War ich doch für die Einzelprüfungen auf Grund meiner Leistungsklasse gar nicht zugelassen. Daraufhin bin ich in die Meldestelle getrottet um das zu klären. Ja es lag ein Fehler vor. Die Richter hatten nicht darauf geachtet. Aber der Besuch in der Meldestelle eröffnete mir die Möglichkeit kurz in die Gesamtwertung zu schauen. Und es bestand wirklich die Möglichkeit auf eine Platzierung. Ich war baff. Das erste richtige Turnier seit Jahren. Unsere erste gemeinsame VS und eine Platzierung rückte in greifbare Nähe. Es kribbelte kurz im Bauch und ich rief mich zur Ordnung. Es ist alles nur eine Übung. Nur nicht auf Platzierung oder gar Sieg reiten, das geht nur schief… Als wir in die Geländestrecke starteten war alles ausgeblendet. Es waren einfach nur Pino und ich. Und es war unbeschreiblich. Er flog über die Hindernisse, es machte Spaß und es war so viel dabei, was wir noch nie oder schon über Jahre hinweg nicht angeritten sind. Er hat es sooo brav gemacht. Hindernis 9 war ein Aufsprung. Durch eine Sandgrube und dann ca. 1m hoch. Der Absprung kam und plötzlich sackte der Boden unter uns weg. Mir wurde schlecht, das konnte er nicht schaffen. Der Untergrund hatte nachgegeben. Wie sollte er diesen Sprung schaffen? Ich sah uns innerlich schon in der Holzverkleidung hängen. Plötzlich merkte ich wie sich der Pferdekörper unter mir anspannte und abdrückte… “Hand vor!” war mein einziger Gedanke. Und er schaffte es. Ich war so unglaublich stolz auf ihn! Den Rest der Strecke meisterten wir gut, lediglich der Aussprung vom Wasser war nicht ganz so gut, da zögerte er einen Moment zu lange, dass er sich leicht anschlug. Mein alter Trainer war unglaublich stolz und tippte auf eine gute 6er Note, wenn nicht sogar 7er. Mir war alles egal, denn ich war so unglaublich stolz auf meinen “alten Mann”, der ja mittlerweile auch schon 15 Jahre war. Als Note gab es eine 5,9. Mein Trainer war empört. Da wären viel, viel schlechtere Ritte dabei gewesen. Begründung der Richter: “Zu viel mit dem Pferd geredet und zu lange Bügel. Generell sei mein Pferd zu klein für mich.” Da musste ich leicht schmunzeln. Mein Pino ist 1,65 und ich 1,72. Zwar mit sehr langen Beinen, aber zu klein ist er mir definitiv nicht. Der Sattel war zum damaligen Zeitpunkt etwas ungünstig für mich und mag das Bild verstärkt haben, aber ich konnte die Kritik nicht wirklich ernst nehmen. Das war für mich reine Fehlersucherei und eigentlich auch nichts, was ich auf die Schnelle ändern könnte. So führten wir ihn trocken. Alle verdammt seelig, dass Pino gut lief und verdammt stolz. Wir lauschten noch den Siegerehrungen und plötzlich tippte Andy mich an. “Ist das nicht eure Nummer? Ich glaub die haben eure Nummer aufgerufen!” Das hatten sie wirklich. Wir waren in der Gesamtwertung noch platziert. So schnell saß ich noch nie auf dem Pferd. Stiefel zu, Andy zog den Gurt an, Schwiegerpapa hielt fest und zack saß ich auch schon oben. Grinsend wie ein Honigkuchenpferd trabte ich auf den Springplatz und reihte mich ein. Unsere erste VS, unsere Rückkehr in den Turniersport und dann gleich so ein Auftakt. Am Ende war es Patz 5 und der wog schwerer als jeder Sieg die Jahre zuvor.
In der Siegerehrung hatte ich nur Augen für mein Pony. Mit stolzgeschwellter Brust galoppierte er seine Runden. Wie in alten Zeiten jubelten die Mädels und Jungs aus meinem alten Stall, ebenso wie mein alter Trainer. Mein Freund und seine Eltern klatschten und vergaßen völlig Fotos zu machen und mir war das alles nicht so richtig bewusst. Ich staunte nur über meinen kleinen Kämpfer, der so viel durch hatte, der so viel erlebt hat und heute so viel gegeben hat. Während ich das hier schreibe stehen mir leicht die Tränen in den Augen vor Stolz.
Dieses Jahr starten wir in der Klasse A der VS durch, wenn der Lehrgang bei Hans-Peter Scheunemann gut läuft. Die Empfehlung haben wir schon bekommen, denn am Vermögen liegt es nicht.
Anbei ein ein Video mit Ausschnitten des Tages.
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