Je nachdem wie alt du bist, erinnerst du dich vielleicht noch an die Bücher in denen Linien eingezeichnet waren, um den perfekten Reitersitz zu demonstrieren. Die eine Linie umfasste Pferdemaul, Zügel, Reiterhand und Unterarm. Eine weitere Linie ging durch den gesamten Körper: Ohr, Schulter, Hüfte und Absatz. Immer wieder wurde betont, dass du diese Linien einhalten musst. Sonst bist du raus.

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Dein Reitersitz kann in keine Form gepresst werden

Mittlerweile findest du kaum noch ein Buch, in dem diese Linien eingezeichnet sind. Das ist gut so, denn sie entsprechen einem Idealbild. Die wenigsten Pferde und Reiter entsprechen diesem Ideal. Keiner von uns Reitern sollte krampfhaft versuchen einzelne Körperteile in eine Form zu pressen nur weil es in Lehrbüchern so beschrieben wird.

Dein Reitersitz muss zwanglos und losgelassen sein. Nur dann bist du in der Lage in die Bewegungen deines Pferdes einzugehen, deine Muskulatur an- und abzuspannen und korrekte Hilfen zu geben. Erst dann wirst du mit deinem Pferd zu einer Einheit werden und deine Reiterei harmonisch sein.

Nun stell dir aber einmal vor, du versuchst krampfhaft deine Beine nach hinten zu drücken, damit deine Schultern und der Absatz eine Linie bilden. Dabei spannst du deine Muskeln an, verkrampfst und dein losgelassener Reitersitz geht verloren. Dein Sitz entspricht nun vielleicht dem idealen Reitersitz aus einem Lehrbuch, aber du wirst nicht mehr in der Lage sein in die Bewegung des Pferdes einzugehen geschweige denn deinem Pferd korrekte Hilfen zu geben.

Merke: Dein Reitersitz ist einzigartig und kann in keine Form gepresst werden.

Die Sitzgrundlage als Basis für alles Weitere

Ohne ein paar grundsätzliche Regeln zu deinem Reitersitz funktioniert die Reiterei allerdings auch nicht. Auch wenn wir körperlich alle total verschieden sind, so gibt es doch ein paar Dinge auf die wir achten sollten. Dinge, die weder dich noch mich in eine Form pressen und uns verkrampfen lassen.

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Betrachten wir den Reiter einmal von oben nach unten:

Der Reiter sitzt mit aufrechtem Oberkörper im Sattel und blickt nach vorne in die Richtung, in die er reitet. Häufig wird gesagt, dass er zwischen den Pferdeohren hindurchgucken soll. Als Richtlinie ist das in Ordnung, aber bei einigen Lektionen wie beispielsweise dem Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen, nicht empfehlenswert, da hier der Blick nach unten gerichtet wäre. Die Schultern sind locker und nach hinten gerichtet. Wenn du dazu neigst die Schultern nach vorne zu ziehen, dann drücke deine Schultern nicht krampfhaft nach hinten, sondern arbeite an einem aufrechten Oberkörper. Die Oberarme hängen unverkrampft nach unten und die Unterarme sind angewinkelt. Deine Ellenbogen müssen nicht zwanghaft am Körper sein, sondern dürfen beweglich bleiben. Die Zügelfäuste sind geschlossen, aber die Handgelenke bleiben beweglich, denn nur so kannst du korrekte halbe Paraden geben – und nein, eine halbe Parade ist nicht einmal kurz am Zügel ziehen.

Merke: Sei ein stolzer Reiter, der aufrecht im Sattel sitzt und guck nach vorne. Brust raus, Bauch rein – zeig was du kannst!

Deine Oberschenkel, Knie und Unterschenkel liegen am Sattel und Pferdebauch an. Das Knie ist dabei gebeugt. Wenn dir irgendjemand schon mal etwas von einem festen Knieschluss erzählt hat, dann vergiss das wieder. Du sollst dein Knie nicht an den Sattel klemmen und dich so festhalten. Auch dabei verkrampfst du wieder und ein losgelassener Sitz wird unmöglich.

Über die Zehenspitzen des Reiters wurde auch schon viel philosophiert. Wenn deine Wade am Pferdebauch anliegt, dann ist dein Fuß im Steigbügel annährend parallel zum Pferd ausgerichtet. Tatsächlich trifft dies nicht auf alle Reiter zu. Versuche nicht krampfhaft deine Zehenspitzen nach innen zu drehen.

Merke: Alles was du krampfhaft versuchst zu ändern, wirkt sich negativ auf deinen losgelassenen Sitz aus.

Dein Becken ist der Dreh- und Angelpunkt

Dein Becken verbindet deinen Oberkörper mit deinem Unterkörper. Es ist dafür verantwortlich, dass du deinen Oberkörper nach rechts oder links drehen kannst und dabei mit deinen Beinen auf einem Fleck stehenbleibst. Deswegen gilt dein Becken auch als Bewegungszentrum.

In der reiterlichen Fachsprache ist oft die Rede von der Mittelpositur. Diese darfst du nicht mit dem Becken verwechseln. Die Mittelpositur umfasst das Becken sowie alle umgebenden Muskelgruppen. Dein Becken kannst du aktiv nach vorne und hinten kippen. Dazu brauchst du genau diese Muskelgruppen. Wenn dir also schon mal jemand an den Kopf geworfen hat, dass du locker in deiner Mittelpositur bleiben sollst, dann wollte derjenige dir damit wahrscheinlich nur sagen, dass du deine Beckenmuskulatur nicht anspannen sollst.

An deinem Reitersitz musst du stetig arbeiten

Wenn du der beste Reiter für dein Pferd werden möchtest, dann musst du stetig an deinem Sitz arbeiten. Zahlreiche Probleme beim Reiten lassen sich auf den Sitz zurückführen. Schnell klemmt mal das Knie oder das Becken blockiert die Bewegung des Pferdes. Was passiert dann? Du verspannst dich und kannst nicht mehr losgelassen Sitzen. Aus einem nicht losgelassenem Sitz heraus kannst du deinem Pferd keine korrekten reiterlichen Hilfen mehr geben.

Korrekturen an deinem Sitz nimmt in erster Linie dein Trainer vor. Er sollte allerdings nicht versuchen dich in korrekte Linien zu pressen, sondern auf deinen individuellen Körper eingehen. Neben deinem Trainer hast du noch zahlreiche andere Möglichkeiten um an deinem Reitersitz zu arbeiten: eigne dir beispielsweise das entsprechende Theoriewissen über den Reitersitz an – denn wer die Theorie verstanden hat, reitet besser – Videoaufnahmen, Reiten mit Reitpad, Reiten mit Franklin Bällen oder Ausgleichsport.

Zum Weiterlesen:

Sitzschulung Teil 1 & Teil 2 & Teil 3

Diese Reiterin kann ihren Sitz noch verbessern, damit sie noch einfühlsamer auf ihr Pferd einwirken kann. Den noch nicht ganz losgelassenen Reitersitz spiegelt auch das Pferd wieder: eine geringe Taktverschiebung.


 

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